Geduld
Geduld auf dem Pfad
Viele Menschen möchten gerne den Pfad des Lichts gehen und spirituelles Wissen erwerben. Doch um den ersten Schritt auf dem Pfad tun zu können, benötigen wir viel Geduld, Langmut und Toleranz. Für einen modernen Menschen sind das drei sehr schwierige Eigenschaften, denn Ungeduld ist der Grundton unserer Zivilisation, zusammen mit wachsender Intoleranz. Gerade besonders fähige und intelligente Menschen haben oft keine Geduld. Ohne Geduld kommen wir auf dem Pfad nicht weiter. Wenn einem ungeduldigen und intoleranten Menschen die inneren Werkzeuge der Weisheit gegeben würden, wird er sie nicht sorgfältig genug anwenden. Dadurch wird er sich selbst und andere Menschen in Schwierigkeiten bringen. Nur durch Geduld, Toleranz und Warten lernen wir Liebe und Mitgefühl. Diese Qualitäten des Herzens öffnen uns die Tür ins Innere. Und nur durch Geduld können wir unser Bewusstsein in höhere Sphären ausdehnen, wo die Weisheit wohnt
Im Leben von Jüngern sehen wir, dass sie in ihrem Umfeld viel Unsinn und persönliches Unrecht in aller Stille geduldig ertragen konnten. Die „Goldenen Stufen“ von Madam Blavatsky sprechen vom „mutigen Ertragen persönlicher Ungerechtigkeit“ als einer der Grundqualitäten, die die Lernenden zu erwerben haben. Wir neigen jedoch dazu, um unsere Rechte zu kämpfen, und denken, andere seien für unsere Schwierigkeiten verantwortlich. Wir suchen die Fehler bei den anderen; oft sind wir von ihnen enttäuscht und kritisieren sie offen oder verdeckt. Wer schlecht über andere spricht oder denkt, befindet sich nicht auf dem Pfad des Lichts. Durch unsere kritische Einstellung verursachen wir ein unüberwindbares Hindernis für die Hilfe, die uns das Göttliche anbietet.
Das Saturn-Prinzip
Das Saturn-Prinzip präsentiert jedem Schüler, der nach der Wahrheit sucht, seine persönlichen Begrenzungen. Saturn gilt als der 'alte Mann'. Er ist eine Verkörperung der Geduld und er lehrt die Schüler ebensolche Geduld. Durch Saturn lernen wir zu warten und sehen, während wir warten, wie viel Ungeduld in uns ist. Viele sind überängstlich; sie sind beim Warten nicht entspannt, sondern besorgt über ein mögliches Ereignis. Deshalb tun sie viel, bevor das Ereignis eintrifft, und wenn es eintrifft, reagieren sie falsch. Damit wir uns zur rechten Zeit um Dinge kümmern können, brauchen wir ein friedliches, ausgeglichenes Denken. Darum wird zu Geduld geraten, und eine empfängliche Haltung wird der proaktiven Haltung vorgezogen. Ein ausgeglichener Mensch handelt weder zu früh noch zu spät, sondern zu rechten Zeit. Er ist allen möglichen Situationen und Lösungen gegenüber offen.
Angenommen wir beschäftigen uns gerade mit Lehren über Saturn. Eine Person kommt herein und unterbricht unsere Beschäftigung. Wir fühlen uns gestört und denken: „Ausgerechnet jetzt kommt dieser Mensch ohne Ankündigung und will mit mir reden. Ich habe etwas anderes zu tun.“ Wir werden ungeduldig, doch wir sollten bedenken, dass er der eigentliche Saturn ist, der uns eine Lektion in Geduld lehren will. Wir dürfen den Unterricht, den uns das Leben gibt, nicht ausser Acht lassen.
Wir sollten geduldig das akzeptieren was kommt, ohne bei Störungen im täglichen Leben gereizt und wütend zu reagieren. Saturn lehrt uns das Gesetz der Akzeptanz. Aufgrund unserer eigenen Begrenzungen müssen wir oft und über längere Zeit warten. Wenn wir gebeten werden zu warten, ist es das Beste, dass wir dann einfach nur warten. Warum sollten wir andere Dinge tun, wenn es Zeit ist zu warten? Dann aktiv sein zu wollen, wenn warten erforderlich ist, ist ein Symptom Ungeduld.
Die Geschwindigkeit Gottes
Als Herkules von seinem Lehrer die Aufgabe erhielt, die drei goldenen Äpfel vom Baum des Lebens zu holen, wollte er sofort losgehen und die Arbeit erledigen. Doch der Lehrer sagte ihm: „Nein, mein Sohn, beeile dich nicht. Erledige sie mit Geduld. Geh nicht zu rasch vorwärts, sondern in der Geschwindigkeit Gottes. Die Geschwindigkeit Gottes ist die Schnelligkeit, die dir von der Zeit erlaubt wird. Die Zeit hat ein Programm für dich. Versuchst du, zu früh zu sein, wirst du den Zeitpunkt verpassen, und versuchst du, später zu kommen, wirst du ihn auch verpassen. Geh mit der Zeit, so wie sie es dir gebietet. Antworte auf die Situationen, wie sie dir durch die Zeit angeboten werden. Versuche nicht, schnell zu sein, denn die Arbeit verlangt Geduld.“
Wir sollten unsere Augen und Ohren weit offen halten, um den Meister aus jeder Richtung und durch jede Form zu hören uns sehen. Bei seiner Suche hatte Herkules bald die Gegenwart des Meisters verloren. Voller Mitgefühl sandte ihm der Meister Zeichen durch seine Boten, aber Herkules war nicht aufmerksam genug, um sie zu erkennen. Der Bote kehrte zum Lehrer zurück und sagte: „Er ist taub. Was soll ich tun?“ Der Lehrer antwortete: „Wir haben ihm gesagt, er soll Geduld haben. Auch wir müssen geduldig sein. Wir sollten ihm genügend Zeit geben, bis er einsichtig wird.“ Langsam dämmerte es Herkules, welche Richtung er einschlagen sollte, und der Gedanke traf ihn wie ein Blitz.
Auch uns treffen auf dem Pfad manchmal Gedanken wie ein Lichtblitz, wie wir weitergehen sollen, besonders wenn wir geduldig und offen sind. Am besten ist es, in jeder Situation das Göttliche zu sehen und dass ER es ist, der uns eine Dosis des Wartens verschrieben hat. So behalten wir unser Vertrauen in die Hilfe der Göttlichkeit, und wir erfüllen und geniessen unsere Pflichten mit Geduld.
Meister CVV bemerkte oft humorvoll, dass er auf die Erde gekommen sei, um die undankbare Aufgabe von Saturn zu erleichtern. Das ist eine symbolische Aussage. Sie bedeutet, dass wir Menschen oft mit Schwierigkeiten und Unbill auf die Schwingungen von Saturn reagieren und nur selten passend und verständnisvoll. Denn der Zweck des Wirkens von Saturn ist die Beseitigung von Ungeduld, Reizbarkeit, Missverständnissen und von übereilten Handlungen. Der Meister informiert uns, dass wir geduldig sein müssen, um mit ihm zu arbeiten. Warten zu können und zu tun, was zu tun ist - darauf wird von grossen Eingeweihten häufig hingewiesen. Mit dem Segen von Saturn wird langsam unsere Wunschnatur überwunden, und als innere Haltung bleibt Geduld, Erwartungslosigkeit und Pflichtbewusstsein. Diese Qualitäten ermöglichen, dass unsere Gedankenebene stabil und unsere Lebensweise geordnet und ritualisiert wird.
Das Denkvermögen regulieren
Unser Denkvermögen zu regulieren und ihm die Fähigkeit zu verleihen, stabil und in einer angenehmer Verfassung zu sein, gelingt nur mit sehr viel Geduld. Es ist ein enormer Trainingsprozess, und es ist leichter, ein Tier zu zähmen als unser Denkvermögen. Mit der Ausrichtung des Denkens auf die Atmung haben die Seher des Altertums eine Möglichkeit gefunden, um das Denken zu zähmen.
Wir beobachten das Ein- und Ausatmen und besonders das dazwischenliegende Intervall. Anfangs fällt es uns nicht leicht, im Zustand des Beobachters zu bleiben. Jeder Gedanke, der auftaucht, bringt uns aus der Beobachtung heraus und wir lassen uns von den Gedanken mitreissen. Beständiges geduldiges Üben prägt dem Denken ein neues Muster ein. Das Denken wird langsamer und zieht sich in seinen Ursprung, dem Herzen, zurück. Wir bleiben mit der Aufmerksamkeit beim Herzen und spüren mit der Zeit die Pulsierung. Dann sagt man, dass das Denkvermögen stabil und in einer angenehmen Verfassung ist. Erst wenn das Denken langsamer wird, können wir wirklich meditieren und beten.
Das, was unmöglich erschien, wird allmählich möglich. Die Gedanken hören auf zu kommen und wir bleiben mit dem Herrn in uns in Einklang. In diesem tiefen Meditationszustand hören Atmung und alle sekundären Gedanken auf, und selbst der Puls ist nur noch schwach vorhanden. Einzig der ursprüngliche Gedanke Ich Bin, ich existiere, bleibt wie ein stiller See.
Für solch eine tiefe Meditation müssen wir lange unsere Persönlichkeit organisiert haben. Statt auf das Herz können wir unseren Blick auch auf das Brauenzentrum zwischen den Augen ausrichten. Die Geduld ermöglicht die Festigung des Gewahrseins und das Abklingen der Gedankenwellen.
Es wird empfohlen, drei Mal tief ein- und auszuatmen, bevor wir mit dem Beten beginnen. Das Denken beruhigt sich und die Gebete und Meditationen fallen uns leichter. Wir schenken der Pulsierung unsere Aufmerksamkeit und wir tauchen tief ein. 'Dip deep' - 'Tauche tief ein', ist das Mantram von Meister CVV, um im pulsierenden Prinzip zu sein. Wer das erreicht, ist jenseits von den vielen Geräuschen in unserer Umgebung.
Die Veränderung der Schwingungen unseres Denkvermögens erkennen wir daran, dass sich unsere Gereiztheit und Ungeduld anderen Menschen gegenüber in Mitgefühl und Liebe verwandeln und wir eine Brüderlichkeit mit allen Menschen empfinden. Wenn wir beispielsweise schlechte Menschen sehen, sollten wir in der Lage sein zu verstehen, dass sie keine schlechten Menschen sind, sondern nur Menschen, die sich schlecht benehmen. Mit diesem Verständnis geben wir ihnen eine grössere Chance, sich zu bessern. Viele von ihnen sind schwache Menschen. Sie haben Schwächen, wie wir auch unsere eigenen Schwächen haben. Wenn es unsere Umstände erlauben, können wir ihnen etwas Hilfe geben.
Jeden Aspekt des Lebens positiv umzuwandeln, erfordert ein hohes Mass an Willen, Verständnis und Geduld. Was wir heute tun, ist die Vorarbeit für das Zukünftige. Im Moment herrscht höchste Ungerechtigkeit und Gier. In Zeiten der Ungerechtigkeit müssen wir verstärkt das Licht anrufen. Die vorherrschende Energie ist die der Dunkelheit, aber wir bereiten die Samen des Lichts vor, und wenn es dämmert, werden sie wachsen. Die Hierarchie sagt uns, dass wir viel Geduld haben und auf den richtigen Zeitpunkt warten sollen. Und so bleiben wir geduldig und arbeiten für das Licht.
Verwendete Quellen: K.P. Kumar: Herkules - Der Mensch und das Symbol. Edition Kulapati, Deutschland (www.wtt-de.org/edition-kulapati).